Hallermann-Streiff-Syndrom und Auge

Informationen und Zusammenhänge

Optometrische Augenglasbestimmung bei Hallermann-Streiff-Syndrom

Anamnese:

Eine 22-jährige Studentin stellt sich aufgrund einer Empfehlung eines niedergelassenen Augenarztes aus Freiburg vor. Die Kundin, die am Hallermann-Streiff-Syndrom erkrankt ist, wünscht sich eine bessere Brillenversorgung zur Unterstützung ihres anspruchsvollen Studiums. Die bisherige Versorgung mit Brille und Lupe ließ nur einen Visus von weniger als 0,1 zu. Besonders unpraktisch erwiesen sich die bisher getragene Form und Größe der Brillenfassung; ständig drückte oder rutschte die Brille. Das schon stark eingeschränkte Sehen wurde durch das häufige „Über die Brille drüber Sehen“ auf eine besondere Probe gestellt.

Befunde:

Bei der Durchführung der Augenglasbestimmung musste sorgfälltig auf den Sitz der Refraktionsmessbrille geachtet und die rechts – und linksseitigen Hornhautscheitelabstände notiert werden. Aufgrund der zierlichen Gesichtszüge der Kundin, wurden regelmäßige kurze Pause eingelegt, um den schmalen Nasenrücken zu entlasten. Für die Ferne und Nähe wurden folgende Refraktionsdaten ermittelt:

Ferne: OD: sph +23,00  Vcc 0,15   OS:  sph +24,00  Vcc 0,10

Nähe: OD: sph +48,00  Vcc 0,7    OS: sph  +  4,00  Ausgleichsglas**

Auf das Ausgleichsglas kann bei Bedarf eine Vollocclussionsfolie geklebt werden, um störende Doppelbilder auszuschalten.

Diagnose:

Das Hallermann-Streiff-Syndrom ist auch als Vogelkrankheit bekannt. Sie ist gekennzeichnet durch ein seltenes, sporadisch auftreten des Fehlbildungssyndrom mit symmetrischem Kleinwuchs. Auffällig ist die besondere Gesichtsform mit sehr kleiner, schnabelartig gebogener Nase, kleinem Unterkiefer und schütterem Haar. Des Weiteren ist die Zunge oft unproportional vergrößert. So dass es beim Sprechen und bei der Nahrungsaufnahme zu Einschränkungen kommen kann. Fehlbildungen des Auges sind ein Mikrophthalmus, der als Ursache für die extreme Hyperopie anzusehen ist, sowie eine bilaterale, kongenitale Katarakt.  

Bild 1: Patientin mit Hallermann-Streiff-Syndrom

 Behandlung:

Die Patientin erhielt eine Fernbrille mit Softlenti – Kunststoffgläsern. Zur Verminderung der Druckstellen griffen wir auf eine spezielle Kinderbrille mit einem Softsattelsteg zurück. Die abgeflachte Fassungsform änderten wir leicht nach oval, für eine bequeme und dauerhaft gute Sehsituation. In diesem Zusammenhang sollte auf die besondere Sehsituation von kleinen Personen und Kindern geachtet werden. Die Hauptblickrichtungen sind oft geradeaus und im Gespräch mit anderen Personen nach oben. Eine leicht ovale Fassungsform kommt diesen Sehanforderungen zu Gute. Den sicheren Sitz der Brille gewährleisten Gespinstbügel. Für die Lupenbrille verwendeten wir die gleiche Fassung in einer anderen Farbe. Beide Fassungen wurden vor der Augenglasbestimmung ausgesucht, sof iel ein Umrechnen der Scheitelbrechwerte für veränderte HSA Werte weg. Die Augenglasbestimmung wurde mit diesem Sitz der Refraktionsmeßbrille durchgeführt.

Diskussion:

Das Hallermann-Streiff-Syndrom ist eine seltene autosomal rezessiv vererbliche Erkrankung. In der Literatur sind bisher etwa hundert Fälle beschrieben worden. Eine Behandlung ist nicht möglich. Wegen der äußerst geringen Häufigkeit des Auftretens dieser Krankheit ist auch nicht mit der Entwicklung von Behandlungsverfahren zu rechnen. Zur Verhinderung einer drohenden feuchten Makuladegeneration, wurden Avastin Injektionen in der Augenuniversitätsklinik Freiburg, durchgeführt. Eine gute Versorgung konnte durch die Zusammenarbeit mit den Angehörigen, den niedergelassenen Augenärzten und Logopäden erreicht werden. Um die augenoptische Versorgung zu vervollständigen, wurde auch der Versuch einer Kontaktlinsenanpassung unternommen.

Die Hornhautradien waren: OD: rh 5,57mm; rv 5,22mm - OS: rh 5,47mm;  rv5,04mm

Aus den Hornhautradien lässt sich auf die ungefähre Größe der Augapfellänge schließen. Das Ergebnis von ca. 16,6mm passt zum allgemeinen Krankheitsbild. Alle Körpermaße sind symmetrisch um 34% verkleinert. Die Kontaktlinsenversorgung konnte in der Praxis nicht überzeugen. Weniger der fehlende Vergrößerungseffekt, sondern viel mehr Schwierigkeiten beim Manipulieren der Kontaktlinsen sind die Beweggründe für das Tragen der Brillen.

Fazit:

Wir betreuen diese Kundin schon seit einigen Jahren und es ist eine große Freude zu sehen, wie die Lebensqualität der Kundin sich positiv verändert hat. Sie ist mit der jetzigen Brillenversorgung wieder in der Lage kleine Texte zu lesen und viel flexibler auf die einzelnen Sehsituationen zu reagieren. Der Sitz der neuen Brille ist bequemer und ein „Über die Brille Sehen“ nicht mehr möglich. Des Weiteren freute sich die Kundin über die modernere Farbe und Fassungsform. Heute nimmt die Sie wieder aktiv an vielen sozialen Events teil, so dass sie sogar eine Selbsthilfegruppe gegründet hat.

Autor:

Randy Freitag

– GermanEyeCare –

Hoffmannoptik e.K. – Augenoptisches Kompetenzzentrum im Markgräflerland

EurOptom, Augenoptiker-Meister, Heilpraktiker

veröffentlicht: Deutsche Optikerzeitung - 5/2011