Papillenödem durch Höhenkrankheit

Notfälle am Auge - Ein Praxisfall

Notfälle am Auge - Papillenödem durch Höhenkrankheit

Bild 1: Sonnenaufgang Kilimanjaro 10/2014

Einleitung:

Ein Aufenthalt in großer Höhe (ab 3500- 4000m) kann wegen der trockenen Luft zu starkem Wasserverlust und damit zu erhöhter Blutviskosität führen. Diese begünstigt in Verbindung mit dem erniedrigten Sauerstoffpartialdruck eine Höhenkrankheit. Wegen unzureichender Sauerstoffsättigung des Blutes dilatieren die Blutgefäße, das Endothel dekompensiert und bei Blutdruckspitzen werden die Kapillarendurchlässig. [1,2]

Anamnese:

Bei einem Gipfelaufstieg am Kilimanjaro (Afrika) bemerkt ein 38-jähriger Bergsteiger zunächst Konzentrationsstörungen und leichte Kopfschmerzen. Beim weiteren Aufstieg kommen noch Übelkeit, ausgeprägte Sehstörungen mit starken Doppelbildern und Kurzatmigkeit dazu.

Diagnose:

Der Bergsteiger leidet an einem Papillenödem hervorgerufen durch die Höhenkrankheit.

Behandlung:

Der erfahrene Bergsteiger wurde sofort durch den Guide und den reisebegleitenden Arzt medizinisch versorgt. Die Sauerstoffbeatmung aus einer mittransportierten Sauerstofflasche war ein Teil der ersten Maßnahmen. Nach einer angemessenen Regenerationspause musste er den Abstieg in Begleitung eines assistant guide in das Basiscamp antreten. Von dort wurde er in die nächste Klinik nach Moshi transportiert.

Informationen aus der Klinik vor Ort

Kilimanjaro Christian Medical Centre in Moshi/Tansania

- Bewusstseinsstörung -Somnolenz

- Übelkeit mit schwallartigem Erbrechen

- Kopfschmerzen

- Hypertonie, Dyspnoe (Kurzatmigkeit), Bradykardie

Visuelles System

 - Fernbrille - Sportbrille

 - zunehmende Doppelbilder

 - starke asthenopische Beschwerden

 - Schleiersehen mit beiden Augen

Visus getragene Brille: aktuell

 - Ferne R: sph -1,00 cyl +0,50A   66° Vcc 0,6 - L: sph -0,75 cyl+0,25 A 124° Vcc 0,5

 - Nähe Add. 0,0                                      Vcc 0,5

Pupillenreaktionstest

- beide Augen (OU): 5,0 mmbei Dunkelheit

                                   3,5 mm beiHelligkeit

- kein relativer afferenterPupillendefekt (RAPD) - (Swinging-Flashlight-Test)

Cover-Test:      Ferne: OD - keineEinstellbewegung - OS - Einstellbewegung

                          Nähe: OD- keine Einstellbewegung - OS - Einstellbewegung

Uncover-Test: Ferne: OD - Einstellbewegung - OS - Einstellbewegung

                          Nähe: OD- Einstellbewegung - OS - Einstellbewegung

Strabsimus convergens - Parese des M. rectus lateralis - OS

Abduzensparese mit kompensatorischer Kopfwendung in Richtung des paretischen Muskels links horizontal nebeneinanders tehende, ungekreuzte Doppelbilder

Pachymetrie (mm):              OD: 0,492            OS: 0,499

Vorderkammertiefe (mm): OD: 2,81               OS: 2,79

Augeninnendruck (IOP):     OD: 15,7mmHg   OS: 16,2 mmHg

Kammerwinkel:                   OD: 31°                 OS:   33°

Vorderer Augenabschnitt (VAA): altersentsprechend reizfrei, regelrecht

Augenhintergrund (Bild 2/3)

- Papille:                    Papillenödeme –Hirndruckzeichen!

Bild 2: rechte zentrale Netzhaut
Bild 3: linke zentrale Netzhaut

Auf beiden Netzhautbildern sind die Papillenödeme zu erkennen.

Gesichtsfeldmessung: Protokolle Gesichtsfeldmessungen (Bild 4/5)

Bild 4:Messergebnis - rechtes Auge

 Bild 5: Messergebis - linkes Auge

                     

Auf beiden Auswertungsprotokollen konnten periphere Gesichtsfelsaufälle dokumentiert werden.

Diskussion:

Bei einer akuten Höhenkrankheit gilt zunächst die Devise, nicht weiter aufzusteigen und einen Ruhetag einzulegen. Verbessert sich der Zustand ist ein Aufstieg am Folgetag möglich. Treten starke Symptome der Höhenkrankheit auf, hilft nur der Abstieg! Ansonsten können Gangunsicherheit (Ataxie), Diplopie und Übelkeit mit schwallartigem Erbrechen bis hin zum Koma, schnellle bensbedrohliche Zustände erreichen.

Akute Höhenkrankheit: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit mit Appetitlosigkeit, erhöhter Ruhepuls

Höhenlungenödem:      Leistungsverlust, Atemnot, Reizhusten, Raschelgeräusche beim Atmen, Zyanose

Höhenhirnödem:            Lähmungen, Bewegungsstörungen, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Koma

Augenhintergrund:        fortschreitende Venenerweiterungen,prä- und intraretinale Netzhautblutungen, Glasköperblutungen und Papillenödem.

Der Abstieg ist die einzig wirksame Therapie. Dabei wird der Auslöser - zu wenig Sauerstoff - eliminiert und gleichzeitig die Therapie eingeleitet - mehr Sauerstoff. Bei Erleiden eines Höhenlungen- und Höhenhirnödem ist ein weiterer Aufenthalt in der Höhe lebensgefährlich und die sofortige Verabreichung von Medikamenten notwendig! Der Patient musste deshalb umgehend in einer Klinik medizinisch versorgt werden. Um einer Höhenkrankheit bzw. einem Papillenödem vorzubeugen, sollte der Bergsteiger ein moderates Aufstiegstempo wählen und ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. [1,2,3]

Bild 6: gesunde Rückkehr vom Gipfel im Basiscamp

Fazit:

Das frühzeitige Erkennen von Notfällen, die Situation korrekt einschätzen und richtig handeln kann nicht nur die Gesundheit, sondern auch Leben retten!

Bildnachweis:

Bilder: 1, 6 - Randy Freitag

Bilder: 2, 3, 4, 5- Klinikbilder

Literatur:

[1] High-altituderetinopathy, Lange GE, Kuba GB, Am Ophthalmol 123: 418-420, 1997

[2] Altituderetinopathy on Mount Everest, ButlerFK, Harris DJ, Reynolds RD, Ophthalmology: 99:739-746, 192, 1989

[3] Klinische Ophthalmologie, Kanski, Unban & Fischer, 6. Auflage, 2008

Autor:

Randy Freitag

– GermanEyeCare –

Hoffmannoptik e.K. – Augenoptisches Kompetenzzentrumim Markgräflerland

EurOptom, Augenoptiker-Meister, Heilpraktiker

veröffentlicht: Deutsche Optikerzeitung - 3/2020