PXE Degeneration

Grönland-Strandberg-Syndrom

Optometrische Augenglasbestimmung bei PXE Degeneration

Anamnese:

Ein 65-jähriger Mann stellt sich aufgrund einer Empfehlung der PXE Selbsthilfegruppe Südbaden vor. Der Patient klagt über eine reduzierte Sehleistung,die sich seit Jahren stetig verschlechtert. Des Weiteren klagt der Kunde über eine starke Blendungsempfindlichkeit, die er mit verschiedenen Sonnenbrillen aus dem Sporthandel zu bekämpfen versucht.

Befunde:

Eine optometrische Untersuchung von sehbehinderten Menschen stellt eine Herausforderung für Patient und Untersucher dar. Dabei sind die einfühlsame Erläuterung und Durchführung aller Messungen hervorzuheben. Eventuell muss von der klassischen Augenglasbestimmung an Optotypen im Refraktionsraum abgewichen werden. Es können hierzu größere Strukturen im Verkaufsraum, wie z.B. Werbeplakate mit großer Schrift, verwendet werden. Die Netzhauterkrankung lässt nur ein peripheres Sehen mit groben Strukturen zu.

Die subjektive Fernrefraktion ergab im vorliegenden Fall folgende Werte:

Rechtes Auge: sph -2,50 cyl+0,5 A 65°    Vcc 0,1

Linkes Auge:   sph -2,00 cyl+0,5 A 15°    Vcc 0,1

Das Sehen in die Nähe konnte mit einer Addition 2,75, in Kombination mit einer beleuchteten Handlupe,nur leicht unterstützt werden. Die Prüfung des Gesichtsfeldes zeigte das ganze Ausmaß der Netzhautveränderungen und erklärte die ermittelte Sehleistung.

Bild1: Retina des rechten Auges
Bild 2: Retina des linken Auges

Diagnose:

Der Patient leidet am Grönland-Strandberg-Syndrom, auch bekannt als Pseudoxanthomaelasticum (PXE Degeneration). Auf den Fundusbildern sind ausgeprägte angioide Streifen zu erkennen. Diese unregelmäßigen, rötlich-braunen Linien verlaufen strahlenförmig vom Sehnervenkopf unter die Netzhaut. Diese Streifen sind bilateral und variieren in der Breite von 50-100 Mikrometer bis zum 3-4-fachen der durchschnittlichen Weite der Netzhautgefäße. Ihre Abgrenzungen sind unregelmäßig, gezackt und manchmal unscharf. Ihre Anzahl und ihr Umfang können ebenfalls variieren, genauso wie der Zeitpunkt Ihrer Entstehung. Ihr Verlaufist gewöhnlich gewundener und eckiger als normaler retinaler Blutgefäße. Bei unserem Patienten sind mehrere Familienmitglieder an der PXE Degeneration erkrankt. Und so wurde vor Jahren, bei der Verdachtsuntersuchung, die Erkrankung diagnostiziert. Seither wurde der Patient mehrfach am Herzen operiert; er ist auf die Einnahme verschiedener Medikamente angewiesen.

Behandlung:

Der Kunde erhielt eine helle Fernbrille mit Kunststoffgläsern. Für die Unterstützung seines Gesichtsfeldes wurde eine nicht zu kleine Brille angefertigt. Zur Verminderung der erkrankungsbedingten Blendungsempflindlichkeit wurde eine spezielle Kantenfilterbrille mit Seitenschutz angepasst. Der Seitenschutz besteht aus einem durchsichtigen Kunststoff, der ebenfalls Kantenfiltereigenschaften besitz. Für den mobilen Leseeinsatz vermittelten wir ein elektronisches Handlesegerät. Seit einem Jahr hat sich der Visus weiter reduziert. Daraufhin hat in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Augenärzten und dem Sehbehindertenverein Freiburg, ein mobiles Alltagstraining stattgefunden. Heute ist der Kunde wieder in der Lage mit einem kompaktem Vorlesegerät sein Lesegut selbstständig wahrzunehmen.

Diskussion:

Hier beihandelt es sich um eine vererbbare Erkrankung, die zur Verkalkung der elastischen Fasern im Körpergewebe führt. Die meisten Patienten leiden an Hautveränderungen und brüchigen Blutgefäßen, die durch Verkalkung ihre Dehnbarkeit verloren haben. Häufig kommt es zu Blutungen im Bereich der Netzhaut. Durch die Kalkeinlagerung in den Blutgefäßen leiden viele Patienten außerdem an Bluthochdruck und an der so genannten Schaufensterkrankheit. Die Erkrankungssymptome, der PXE Degeneration, können durch „oxidativen Stress“ weiter begünstigt werden und dadurch zu Blutungen im Magen-Darm-Bereich oder zu lebensbedrohlichen Komplikationen des Herz-, Kreislaufsystems führen. Diese seltene Erbkrankheit Pseudoxanthoma elasticum (PXE) wird zurzeit noch vonverschiedenen Instituten erforscht. Langfristiges Ziel ist dabei das detaillierte Verständnis der Zusammenhänge der Erkrankung, um so die Ursachenfür PXE zu ergründen und effektiv zu bekämpfen.

Bild 3: Wellness-ProtectSeitenschutzbrille von Eschenbach

 

Fazit:

Für den versorgten Kunden erwies sich die Einweisung in die Funktion des flexiblen Vorlesesystems und mp3-Player (Fa. Reinecker), das mobile Alltagstraining und die Brillenversorgung als echte Lebenshilfe. Sehen ist eine grundlegende Voraussetzung für eine angemessene Lebensqualität; reduziert sich die Sehleistung, verliert sich schnell die Lebensfreude. Dann müssen die sozialen Kompetenzmöglichkeiten ausgeschöpft werden.

Autor:

Randy Freitag

– GermanEyeCare –

Hoffmannoptik e.K. – Augenoptisches Kompetenzzentrum im Markgräflerland

EurOptom, Augenoptiker-Meister, Heilpraktiker

veröffentlicht: Deutsche Optikerzeitung - 8/2011