Zytomegalieretinitis bei AIDS - Acquired-Immune-Deficiency-Syndrom

Fakten und Zusammenhänge - ein Praxisfall

Zytomegalieretinitis bei AIDS - Acquired-Immune-Deficiency-Syndrom

 Einleitung

Weltweit leben ca. 40 Millionen Menschen mit HIV und AIDS. In Deutschland beträgt die geschätzte Gesamtzahl der seit Epidemiebeginn Infizierten 59000, wobei zwei Drittel der Infizierten homosexuellen Männern sind. Der Infektion mit dem HI-Virus folgen oft einige Wochen später Allgemeinsymptome, wie Fieber, Kopfschmerzen, Unwohlsein und ein charakteristischer Hautausschlag, in Verbindung mit Lymphknotenveränderungen. Eine symptomfreie Phase, die mehrere Jahre dauern kann, schließt sich an. Während dieser Zeit nimmt die Zahl der CD4 T-Lymphozyten ständig ab. Die symptomatische HIV-Infektion ist die nächste Phase. Sie ist durch opportunistische Infektionen und Gewebeschäden charakterisiert.  

Anamnese:

Ein 43-jähriger Konzertmusiker stellt sich zur Augenglasbestimmung vor. Die letzte Brille zum Notenlesen ist nicht mehr ausreichend. Außerdem hat sich nach seiner letzten Konzertreise die Sehleistung stetig verschlechtert. Die Noten und seine Einsatznotizen sind mit der „Musikbrille“ kaum noch zu erkennen. Der Kunde wirkt sehr nervös, blass und schmal. Auf die genauere Nachfrage erzählt er von einer leichten Erkältung und Schlafstörungen. Um die psychischen Anforderungen des Konzertbetriebes gewachsen zu sein, nimmter täglich Beruhigungsmittel ein. Weiterhin berichtet er über zahlreiche Tourneen in das Ausland. Vor allem die Reisen nach Asien haben ihn besonders beeindruckt. Bei einer dieser Konzertreisen hat er sich eine Viruserkrankung zugezogen, seither habe er immer weniger Kraft.

Befunde

- Augenglasbestimmung:      

  F. R: sph -1,50 cyl +0,25 A 0°  Vcc 0,8 - L: sph -1,25  Pr. 3,0 B.u. Vcc 0,4

  N. Add. 0,75 für 0,8 Meter (Abstand zum Notenständer)

  Führungsauge – OD

- Covertest: OS – kleine Einstellbewegung von oben

- IOD (9.30Uhr), Non-contact Tonometer OD 17,4 mmHg  OS 18,1 mmHg

- Ophthalmoskopie:

OD leicht verwaschene Papillengrenze, cup todisc ratio: 0,2

OS leicht prominente Papille mitRandunschärfe, cup to disc ratio – unsicher

      Makulabereich: gelbliche-weiße Einlagerungen

- Spaltlampenbefund:

      Kammerwinkel nach van Herrick: OD 3  OS 3

Der vordere Augenabschnitt zeigt an beiden Augen keine Auffälligkeiten. Sie sind äußerlich reizfrei. Die Kontrastempfindlichkeit liegt an beiden Augen unter der Altersnorm. Im Glaskörper konnten Verdichtungen festgestellt werden.

Diagnose:

Der Kunde leidet an einer Zytomegalieretinitis aufgrund seiner AIDS-Erkrankung.

Behandlung:

Der Patient muss sich einer lebenslangen virustatischen Therapie unterziehen. Früher stand die Medizin HIV und Aids machtlos gegenüber. Das ist heute nicht mehr so: Medikamente können die Vermehrung von HIV im Körper verhindern und die Lebenserwartung der Aids-Patienten ist erheblich gestiegen. Diese Medikamente sorgen bei den meisten infizierten Menschen dafür, dass im Körper kein Virus mehr nachweisbar ist. Möglich wird das, indem mehrere Wirkstoffe gleichzeitig eingesetzt werden. Diese Behandlung nennt man Kombinationstherapie oder auch AntiretroviraleTherapie. Die Medikamente müssen lebenslang eingenommen werden, damit die Vermehrung des Virus dauerhaft verhindert wird. Vollständig aus dem Körper entfernen kann man HIV bisher nicht, da die Medikamente das Virus nicht in allen Körperzellen erreichen. Eine Heilung ist daher bislang nicht möglich. Die meisten Menschen können heute dank der HIV-Therapien sehr lange mit dem Virus leben. Die Medikamente können allerdings Nebenwirkungen verursachen. Wie stark sie sind, ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden.

Diskussion – Hintergrund – Hinweise:

Aids (Acquired-immune-deficiency-Syndrom ) wird durch das HI-Virus verursacht. Weltweit betrachtet wird es vorwiegend durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr übertragen. In der westlichen Welt wird das Virus häufig durch homosexuelle Kontakte übertragen. Es kann auch durch kontaminiertes Blut und Nadeln oder beim Stillen eine Infizierung erfolgen. HIV greift CD4 T-Lymphozyten (Helferzellen) im Blut an, die für die Einleitung der Immunantwort auf Krankheitserreger verantwortlich sind. Dies führt zu einer ständigen Abnahme der CD4 T-Lymphozyten. Die Folge ist ein progressiver Immunmangel, besonders der zellvermittelten Immunität. Eine regelmäßige Bestimmung der CD4T-Lymphozyten ist deshalb eine nützliche Methode, um den Krankheitsprozess zu verfolgen. Die Zytomegalieretinitis ist die häufigste Augenerkrankung bei AIDS.

Bei der großstädtischen Bevölkerung findet sich ein hoher Durchseuchungsgrad. Erkrankungen kommen jedoch nur bei schweren Immundefiziten vor. Für die Pathogenese Zytomeglievirus - Infektion ist bedeutend, dass die ZMV Replikation durch HI-Viren gefördert wird, genauso wie die HIV-Vermehrung bei Patienten mit Zytomegalieretinitis erhöht ist. Etwa 20% bis 40% aller AIDS-Patienten entwickeln im Finalstadium eine Zytomegalieretinitis. Das Zytomeglievirus befällt am häufigsten die Retina, erst danach folgen der Verdauungstrakt und das Zentralnervensystem. An den Augenlidern können sich die charakteristischen Kaposi-Sarkome oder ein Herpes zoster ophthalmicus bilden. Am vorderen Augenabschnitt zeigt sich selten die Erkrankung als Plattenepithelkarzinom und Mikroangiopathie. Weiterhin sind eine Keratitis, Herpes simplex und Keratoconjunctivitis sicca möglich. Ein häufiger, atypischer Befund ist die Infektion der Retina mit dem Einzeller Toxoplasma gondii. HIV zählt zu den schwach übertragbaren Krankheitserregern. Die normalen Hygienemaßnahmen im Haushalt, beim Friseur oder bei der Kontaktlinsenanpassung reichen aus, um sich zu schützen. Die unverletzte Haut bietet eine sichere Barriere gegen die Infektion.  Das HI-Virus wurde gelegentlich auch im Speichel, Urin, Schweiß und in der Tränenflüssigkeit nachgewiesen, diese geringe Menge reicht jedoch nicht für eine Ansteckung aus. Ebenso besteht kein Risiko bei Körperkontakt, wie Händeschütteln.

Fazit:

Aufgrund der genauen Anamnese und dem pathologischen Systemkomplex konnte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt und der Augenklinik erfolgen. Durch die Behandlung der Grunderkrankung wurde die Sehleistung des Kunden wieder verbessert.  

 Autor:

Randy Freitag

– GermanEyeCare –

Hoffmannoptik e.K. – Augenoptisches Kompetenzzentrum im Markgräflerland

EurOptom, Augenoptiker-Meister, Heilpraktiker

veröffentlicht: Deutsche Optikerzeitung - 8/2014